A. Heiniger: Le camp de Bassecourt (1944–1945)

Cover
Titel
Exil antifasciste et politique fédérale du refuge. Le camp de Bassecourt (1944–1945)


Autor(en)
Heiniger, Alix
Reihe
Cahiers d’Etudes Historiques 8
Erschienen
Neuchâtel 2010: Éditions Alphil
Anzahl Seiten
164 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Georg Kreis

Alix Heiniger hat dem in der Zeit vom Februar 1944 bis zum Februar 1945 im jurassischen Bassecourt für die Unterbringung von rund 50 linksradikalen Ausländern betriebenen Sonderlager (8 Baracken) eine kleine Studie gewidmet. Ein erstes Kapitel befasst sich mit dem Lagerbetrieb, ein zweites mit der Zusammensetzung der Lagerinsassen, ein drittes mit deren politischem Potenzial, ein viertes mit deren Widerstandsstrategien. Die hauptsächlich Bestände des Bundesarchivs (der Bundespolizei und des Justiz- und Polizeidepartements), aber auch Memoiren auswertende Arbeit macht mit der gebotenen Zurückhaltung die ganze Fragwürdigkeit dieser mit Vorläuferlagern bereits im Februar 1941 geschaffenen Einrichtung deutlich. Unklar blieb, was man eigentlich vermeiden wollte: auf das Ausland ausgerichtete Aktionen oder die «Ansteckung» der eigenen Bevölkerung? Heiniger zeigt auf, dass es für diese Kategorie von Flüchtlingen überhaupt keinen Rechtsschutz gab. Im Weiteren bemerkt sie, dass auch die für eine Lagereinweisung entscheidenden Kriterien unklar waren. Sie kann sogar auf ein spätes Eingeständnis verweisen, wonach man Lagerplatzierungen auch als Test praktizierte: Sofern es sich tatsächlich um einen Kommunisten handelte, sollte sich dies an der guten Aufnahme durch die Kameraden zeigen; blieb der Ein gewiesene dagegen isoliert, handelte es sich um eine Fehlplatzierung. Ein ent sprechendes Frauenlager gab es übrigens nicht.

Das Sonderlager, eine Weiterführung der Lager von Malvaglia und Gordola, war insofern eine entgegenkommende Einrichtung, als es eine Alternative zur Ausschaffung und zu Aufenthalten in Strafanstalten (z.B. Witzwil!) bildete und im Übrigen kaum bewacht war. Es hatte aber auch, wie von den Betroffenen ausgesprochen, den Charakter eines Straflagers, weil es nach strengeren Regeln gehalten wurde. Interessanterweise konnten die Lagerinsassen ihr Regime mit demjenigen gewöhnlicher Lager vergleichen. Sie empfanden die in Kombination mit dem monotonen Lagerleben wichtige Ausgangs- und Urlaubsregelung als schikanös restriktiv. Die lückenlose Briefzensur schien sie dagegen nicht zu stören. Die intendierte Isolation funktionierte nur bedingt, die Insassen fanden durchaus Wege für eine Kontaktaufnahme mit Gleichgesinnten ausserhalb des Lagers und sogar mit gewissen Medien. Schweizerische Parlamentarier der Linken engagierten sich sowohl hinter den Kulissen als auch in öffentlichen Vorstössen für die Internierten. Aus der Logik der Bekämpfung unerwünschter Agitation erschien die Zusammenführung von Gleichgesinnten, von denen vermutet wurde, dass sie in der lagerinternen Organisation ein terroristisches «Sovietregime » betrieben, auch nicht gerade die richtige Form. Besonders wichtig war allerdings die Vermeidung von unerwünschten Kontakten mit der Bevölkerung, darum die Ansiedlung des Lagers mit zumeist Deutschsprachigen zunächst im italienisch-, dann im französischsprachigen Raum. Urlaube (immerhin bis zu drei Tagen bei befreundeten Familien) durften nur ausnahmsweise in grösseren Städten stattfinden.

Vergleicht man diese Aufenthaltsbedingen mit anderen Lebenslagen jener Zeit, zum Beispiel mit französischen Lagern für die Flüchtlinge aus dem spanischen Bürgerkrieg, woher sich einige Bassecourt-Insassen abgesetzt hatten, so müssen die auch leicht verschärften Aufenthaltsbedingungen in der Schweiz als geradezu paradiesisch empfunden worden sein. Essen und Unterkunft, medizinische Betreuung wurden nie beanstandet. Es wurde für die Urbarmachung im Programm des Mehranbaus gewiss hart gearbeitet. Es gab aber auch einen anregenden Freizeitbetrieb mit Vortrags-, Diskussions- und Leseabenden, Theateraufführungen, Schachtournieren (Kartenspiel haben diese Insassen selbst verboten) und sogar einer eigenen Lagerzeitung u.a.m.

Heiniger stellt fest, wie es André Lasserre bereits 1995 in allgemeiner Weise getan hat, dass das Lagerregime gegen Kriegsende markant freundlicher wurde und die schweizerischen Verantwortlichen daran interessiert waren, dass die Schweiz nicht in schlechter Erinnerung behalten wurde. Einige erhielten im Hinblick auf die «Zeit danach» sogar eine Berufsausbildung. Heinigers Studie ist als Liz.-Mémoire an der Universität Genf entstanden. Es ist eine Bereicherung der historischen Literatur, dass solche Arbeiten über eine Edition breit zugänglich gemacht werden. Die Editions Alphil pflegen seit einiger Zeit diesbezüglich ein verdienstvolles Engagement.

Zitierweise:
Georg Kreis: Rezension zu: Alix Heiniger: Exil antifasciste et politique fédérale du refuge. Le camp de Bassecourt (1944–1945). Neuchâtel Editions Alphil, 2010. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte Vol. 62 Nr. 1, 2012, S. 179-180

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Zuerst veröffentlicht in

Schweizerische Zeitschrift für Geschichte Vol. 62 Nr. 1, 2012, S. 179-180

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